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Die Gerichte dürfen aus eigenen oder ihnen zurechenbaren Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen für die Beteiligten keine Verfahrensnachteile ableiten. Allgemein sind sie zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet. Außerdem dürfen sie den Zugang zu den den Rechtsuchenden eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sach-gründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. |
BGH - 25.08.2020 - VI ZB 79/19 |
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Eine falsche Rechtsmittelbelehrung eines Richters, der sich überwiegend mit der Spezialmaterie Wohnungseigentumsrecht beschäftigt, entschuldigt den Fehler eines Rechtsanwalts, der kein Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist, wenn durch den Richterfehler ein Rechtsirrtum über das zuständige zentrale Berufungs- und Beschwerdegericht in Wohnungseigentumssachen entstanden ist. |
LG Frankfurt - 02.06.2015 - 2-13 S 2/15 |
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Ein Anwalt, der vorhersehbaren Fehlern des Gerichts nicht entgegenwirkt, verletzt seine Pflicht aus dem Anwaltsvertrag. Bei Auftreten neuer rechtlicher Aspekte hat der Anwalt die Rechtslage zu prüfen und gegenüber dem Gericht darauf hinzuwirken, dass die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen umfassend berücksichtigt werden. Wird in der mündlichen Verhandlung lediglich die Rechtsgrundseite erörtert, die Rechtsfolgenseite aber gar nicht angesprochen,
so muss der Anwalt das Gericht darauf hinweisen. |
OLG Hamburg - 11.07.2014 - 8 U 74/13 |
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Ist nach dem deutschen internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht ausländisches Recht anzuwenden, hat der Tatrichter dieses gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. Gibt die angefochtene Entscheidung keinen Aufschluss darüber, dass der Tatrichter seiner Pflicht zur Ermittlung ausländischen Rechts nachgekommen ist, ist davon auszugehen, dass eine ausreichende Erforschung des ausländischen Rechts verfahrensfehlerhaft unterblieben ist. |
BGH - 30.04.2013 - VII ZB 22/12 |
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Ein durch eine inhaltlich unrichtige Rechtsmittelbelehrung hervorgerufener Rechtsirrtum einer anwaltlich vertretenen Partei ist nicht verschuldet, wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig fehlerhaft und der durch sie verursachte Irrtum nachvollziehbar ist. |
BGH - 12.01.2012 - V ZB 198/11 |
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Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt auch dann vor, wenn ein Gericht versehentlich einen fristgerecht eingereichten Schriftsatz nicht berücksichtigt. |
BGH - 19.08.2010 - VII ZB 2/09 |
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Belehrt ein Gericht falsch über die Dauer einer Rechtsmittelfrist, bleibt es entsprechend der gesetzlichen Regelung gleichwohl bei der Rechtsmittelfrist. |
OLG Karlsruhe - 06.07.2010 - 16 UF 76/10 |
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Vom Prozeßvertreter ist zu verlangen, daß er unabhängig von einer Rechtsmittelbelehrung
durch das Gericht jedenfalls den Gesetzestext für fristgebundene Rechtsmittel auf seinem Fachgebiet kennt. Auf die Rechtsmittelbelehrung des Gerichts darf er sich insoweit nicht verlassen. |
OLG Stuttgart - 04.03.2010 - 17 UF 13/10 |
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Ist für den Prozeßbevollmächtigten offenkundig, daß das Gericht die tatsächlich erfolgte Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses nicht beachtet und trotz unbedingt erhobener Klage von einem bloßen Prozeßkostenhilfegesuch ausgeht, hat er dieses Mißverständnis auszuräumen, um zwecks Einhaltung der Klagefrist die alsbaldige Zustellung der Klage sicherzustellen. |
BGH - 17.09.2009 - IX ZR 74/08 |
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Unterläßt es der Berufungsanwalt, auf ein die Rechtsauffassung seines Mandanten stützendes Urteil des Bundesgerichtshofs hinzuweisen, und verliert der Mandant deshalb den Prozeß, wird der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Anwaltsfehler und dem dadurch entstandenen Schaden nicht deshalb unterbrochen, weil auch das Gericht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs übersehen hat. |
BGH - 18.12.2008 - IX ZR 179/07 |
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Eine unrichtige Ansicht des Erstrichters läßt sich nicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien (§ 139 ZPO) in einen Verfahrensmangel umdeuten. |
BGH - 14.10.2008 - VI ZR 36/08 |
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Ein etwaiger Fehler des Gerichts des Vorprozesses entlastet den Rechtsanwalt nur, wenn dieser Fehler aus der gerichtlichen Entscheidung ersichtlich ist. |
OLG Düsseldorf - 18.09.2008 - 24 U 157/07 |
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Beruht eine Fristversäumung auf Fehlern des Gerichts, sind die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben. |
BVerfG - 26.02.2008 - 1 BvR 2327/07 |
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Die Jahresfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 234 Abs.3 ZPO) hat als Höchstfrist absoluten Charakter und verfolgt den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Ursache der Fristüberschreitung nicht in der Spähre der Partei liegt, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Rechtsmittelgericht zwar innerhalb der Jahresfrist über einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe entschieden, dies dem Antragsteller aber nicht mitgeteilt hatte und der Antragsteller auch sonst keine Kenntnis von der Entscheidung erlangt hat. |
BGH - 20.02.2008 - XII ZB 179/07 |
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Verzögerungen im Zustellverfahren einer Klage durch fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht, sind dem Kläger grundsätzlich nicht zuzurechnen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ist deshalb nicht zu einer Nachfrage bei dem Gericht verpflichtet. |
BGH - 12.07.2006 - IV ZR 23/05 |
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Rechtsanwälte haben den gesetzlichen Auftrag, ihre Mandanten vor voraussehbaren Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren. |
BGH - 29.06.2006 - IX ZR 76/04 |
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Jede Haftung eines Rechtsanwalts setzt eine Pflichtverletzung voraus. Trifft ihn an einem Fehlurteil kein Verschulden, liegt auch kein Anwaltsfehler vor. |
BGH - 02.03.2006 - IX ZR 114/04 |
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Ignoriert das Arbeitsgericht die unumstrittene Rechtslage und verletzt dadurch in krasser Weise gesetzliche Zuständigkeitsregelungen, bindet die auf dieser Rechtsverletzung beruhende Verweisung des Rechtsstreits an ein Landgericht nicht. |
BAG - 28.02.2006 - 5 AS 19/05 |
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Die fehlende Unterschrift eines Richters, der bei der Entscheidung mitgewirkt hat, kann nicht mehr nachgeholt werden, wenn die für die Einlegung eines Rechtsmittels längste Frist von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils abgelaufen ist. |
BGH - 27.01.2006 - V ZR 243/04 |
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Die unterbliebene Ladung eines Strafverteidigers zur mündlichen Verhandlung begründet die Revision des Angeklagten aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung. |
OLG München - 25.01.2006 - 5 StRR 237/05 |
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Das Verschulden eines Rechtsanwalts für einen Fehler scheidet nicht dadurch aus, weil ein Kollegialgericht der fehlerhaften Auffassung des Anwalts zunächst irrtümlich folgt. |
OLG Celle - 09.11.2005 - 3 U 83/05 |
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Das Willkürverbot im Zivilprozeß kann verletzt sein, wenn die Verfahrensführung durch das Gericht nicht verständlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist. |
BayVerfGH - 22.07.2005 - Vf 72-VI-04 |
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Als Prozeßvertreter hat ein Rechtsanwalt dem Gericht nicht nur den Sachverhalt mit richtigen Anträgen zu unterbreiten, sondern auch die Verpflichtung den Versuch zu unternehmen, das Gericht von seiner juristischen Meinung zu überzeugen, wenn die rechtliche Beurteilung des Gerichts Anlaß zu ernstlich begründeten Zweifeln gibt. Dies bedeutet nicht, daß der Anwalt zur Vermeidung einer denkbaren Fehlentscheidung des Gerichts die Verpflichtung hat, das Gericht durch rechtliche Untiefen durchzulotsen oder schwierige Rechtsfragen aufzubereiten. |
OLG Stuttgart - 24.05.2005 - 12 U 160/04 |
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Nimmt das Berufungsgericht im Tatbestand auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug und geht es in seinen weiteren Ausführungen von entscheidungserheblichen Tatsachen aus, die im Widerspruch zum Tatbestand des angefochtenen Urteils stehen, ohne diese Abweichung zu erläutern, ist das Revisionsgericht an solche Tatsachen nicht gebunden; das Urteil ist aufzuheben. |
BGH - 09.03.2005 - VIII ZR 381/03 |
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Erkennbaren Fehlern des Gerichts bei der Anwendung von Gesetz und Rechtsprechung hat der Rechtsanwalt entgegenzuwirken, wenn diese Handhabung des Gerichts für seinen Mandanten ungünstig ist. |
OLG Düsseldorf - 26.01.2005 - I-18 U 120/04 |
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Ein Sachvortrag kann in der Berufungsinstanz nicht zurückgewiesen werden, wenn das erstinstanzliche Gericht aufgrund eines unvollständigen gerichtlichen Hinweises den Eindruck erweckt hat, weiteres Vorbringen sei nicht erforderlich. |
BGH - 21.11.2004 - VII ZR 180/03 |
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Eine Gerichtsentscheidung ist objektiv willkürlich, wenn eine notwendige Vertragsauslegung unterblieben und die Entscheidung deshalb nicht verständlich ist. |
BGH - 07.10.2004 - V ZR 328/03 |
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Zwar ist auch der extrem häufige Wechsel der Prozessbevollmächtigten einer Partei durch deren Rechte im Zivilprozess gedeckt, die dadurch bedingte längere Verfahrensdauer kann dann jedoch nicht allein dem Gericht angelastet werden. |
BVerfG - 17.12.2003 - 1 BvR 2412/03 |
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Keinesfalls lassen Fehler des Gerichts allgemein die Ursächlichkeit pflichtwidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts im Prozess entfallen. |
BGH - 24.10.2002 - III ZR 107/02 |
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Gerichte sind verfassungsrechtlich nicht legitimiert, Rechtsanwälten über den Umweg des Haftpflichtprozesses auch die Verantwortung für die richtige Rechtsanwendung aufzubürden. Rechtskenntnisse sind Aufgabe der Gerichte. Fehler sind möglichst im Instanzenzug zu korrigieren. |
BVerfG - 12.08.2002 - 1 BvR 399/02 |
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Stehen einem Kläger mehrere Anspruchsgrundlagen zu und wird vom Beklagten generell die Verjährungseinrede erhoben, die nur für eine Anspruchsgrundlage erheblich ist, hat der Klägeranwalt das Gericht auf diesen Umstand ausdrücklich hinzuweisen. Denn die Erfahrung zeigt, dass Gerichte gelegentlich entscheidungserhebliche Gesichtspunkte übersehen und den einfachsten Lösungsweg beschreiten, der zu einem falschen Ergebnis führt. |
OLG Koblenz - 21.03.2002 - 5 U 908/01 |
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Wird ein Fehler des Anwalts im Prozess durch einen Fehler des Gerichts im Urteil kompensiert, haftet der Anwalt nicht für seinen Fehler. |
OLG Düsseldorf - 20.03.2001 - 24 U 126/00 |
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Eine Haftung des Rechtsanwalts für fehlerhafte rechtliche Beurteilungen eines Gerichts kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Anwalt keine Möglichkeit hatte, der möglicherweise irrigen Auffassung des Gerichts entgegenzuwirken. |
OLG Celle - 07.06.2000 - 3 U 148/99 |
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Im Schadensersatzprozess gegen den eigenen Rechtsanwalt kommt es nicht darauf an, wie das Gericht des Vorprozesses entschieden hat, sondern wie es richtigerweise hätte entscheiden müssen. |
OLG Koblenz - 25.06.1998 - 5 U 1468/97 |
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Der sowohl durch einen anwaltlichen Fehler als auch durch ein objektiv unrichtiges Urteil verursachte Schaden des Mandanten ist dem Anwalt in der Regel zuzurechnen, wenn dessen Pflichtverletzung zusätzliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hervorgerufen hat und diese sich auf die ergangene Entscheidung ausgewirkt haben. |
BGH - 21.09.1995 - IX ZR 228/94 |
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Folgt ein Prozessbevollmächtigter einer fehlerhaften Rechtsmeinung eines Gerichts und erleidet sein Mandant dadurch einen finanziellen Schaden, ist dieser vom Anwalt zu ersetzen. |
OLG Köln - 03.03.1995 - 19 U 119/94 |
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Der Anwalt muss versuchen Fehler des Gericht zu verhindern. Etwaige Versäumnisse des Gerichts schliessen die Mitverantwortung des Rechtsanwalts für eigenes Verschulden grundsätzlich nicht aus. |
BGH - 28.06.1990 - IX ZR 209/89 |
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Siehe auch: Richterfehler |